Wo ist denn nur das brave Baby hin? Um den zweiten Geburtstag beginnt sie, die gefürchtete Trotzphase oder Autonomiephase: Das Kleinkind möchte mehr und mehr seinen Willen durchsetzen. „Ich kann das ALLEIN!“, „Ich WILL aber!“, tönt es von unten. Grenzen wollen überschritten werden, auf ein „Nein“ wird mit teils spektakulären Wutausbrüchen reagiert. Eine Zerreißprobe für elterliche Nerven. Warum du möglichst gelassen bleiben solltest und warum die Autonomiephase so wichtig für die Entwicklung des Kleinkindes ist, erfährst du hier.

Kleinkind in der Autonomiephase – besser bekannt als Trotzphase

Vermutlich wird dir der Begriff „Trotzphase“ im Zusammenhang mit bockigem Verhalten und extremen, kindlichen Wutausbrüchen besser bekannt sein. Das Kind trotzt, möchte nicht hören und ärgert sich, wenn Grenzen gesetzt werden.

Tatsächlich aber richtet sich das Verhalten in dieser Zeit nicht gegen die Eltern, was sehr wichtig ist und du dir stets vor Augen halten solltest. Auch extreme Trotzanfälle haben NICHTS mit schlechter Erziehung zu tun.

In der Autonomiephase entdeckt das Kleinkind seinen eigenen Willen und seine Selbstständigkeit. Das ICH-Bewusstsein entwickelt sich im Zusammenspiel mit Sprache und Motorik. Kinder wollen allein Händewaschen, das Brot schmieren, die Schuhe anziehen. Dass das alles nicht immer auf Anhieb klappt, ist frustrierend. Und dass die Eltern dem natürlichen Forschungsdrang mit Regeln in die Quere kommen, ist umso schlimmer. Die Welt, die Kleinkinder so intensiv erfahren möchten und die für sie richtige Ordnung gerät aus den Fugen – sie haben das Gefühl, die Kontrolle zu verlieren und es kommt zu einem extremen Gefühlsausbruch oder einer Art Panikattacke.

Autonomiephase: Ein wichtiger Meilenstein in der Entwicklung des Kleinkindes

Während wir Eltern oftmals das Gefühl haben, unser Nachwuchs möchte uns auf der Nase herumtanzen, ist die Autonomiephase ein überaus bedeutsamer Entwicklungsschritt für das Kleinkind. Daher ist es sehr wichtig, das Kind so gut es geht zu begleiten und Wutausbrüche nicht persönlich zu nehmen oder das Kind zu entmutigen.

Das lernt dein Kind in dieser intensiven Phase:

  • Die Fähigkeit, seinen eigenen Willen zu zeigen und zu vertreten, Entscheidungen zu treffen und aus den Konsequenzen zu lernen.
  • Dass Konflikte Teil des Lebens sind und wie es damit umgehen soll.
  • Es ist in Ordnung, seine Gefühle zum Ausdruck zu bringen und diese nicht zu unterdrücken.
  • Mama und Papa lieben mich, auch wenn ich einen Trotzanfall habe. Das verstärkt die elterliche Beziehung zum Kind.
  • Dass man auch nach Missgeschicken, Enttäuschungen und Fehlversuchen immer wieder aufstehen und es wieder versuchen soll.

So unterstützt du dein Kleinkind in der Autonomiephase

Mutter tröstet Sohn während eines Trotzanfalls.
“Ich bin für dich da.” Aufmersamkeit, Trost und Zuwendung sind wichtig in der Autonomiephase. © anoushkatoronto – stock.adobe.com

Um diese wichtigen Erfahrungen zu sammeln und daraus zu lernen, ist es wichtig, dass du deinem Kind nicht mehr Grenzen setzt als nötig. Es soll seine eigenen Erfahrungen machen können, sofern es sich dabei nicht um absolut verbotene oder gefährliche Dinge handelt. Nimm dir die Zeit für dein Kind und lass es Entscheidungen treffen.

Es ist hilfreich, wenn du folgende Dinge beachtest:

  • „Weniger ist mehr“: Formuliere klare Regeln und Grenzen und vermeide lange Diskussionen, die dein Kind womöglich verwirren.
  • Hinterfrage ein „Nein“:Dein Kind möchte sich selbst das Brot schmieren oder beim Gemüse schneiden helfen? Dann ermögliche ihm das mit einem geeigneten Kindermesser.
  • Schenke Aufmerksamkeit und Trost: Dein Kind meint es nicht böse, doch es ist unsicher und tut sich schwer, die Welt und all ihre Facetten zu begreifen. Steh ihm in dieser schwierigen Zeit bei, tröste es und schenke ihm Aufmerksamkeit und Zuwendung.
  • Nicht nachtragend sein: Sobald der Wutanfall vorüber ist, wird dein Kind höchstwahrscheinlich wieder bester Laune sein – als wäre nichts gewesen. Genauso solltest du nicht nachtragend sein, wenn deine Geduld einmal mehr auf die Probe gestellt wurde.
  • Geduldig sein: Oftmals vergessen wir in unserem hektischen Alltag, welche Bedeutung Zeit hat. Kinder empfinden das ganz anders: Wenn sich dein Kind in Ruhe etwas ansehen möchte, weil es absolut fasziniert davon ist, räume ihm dafür ausreichend Zeit ein.
  • Kompromissbereit sein: Wenn du deinem Kind einen Wunsch ausschlagen musst, biete ihm eine Alternative an, auf die es sich freuen kann.
  • Dem Kind nicht zu viel zumuten. Oftmals verlangen wir unseren Kindern viel ab und nehmen sie zu einem Termin oder Treffen nach dem anderen mit. Wenn Kinder müde, erschöpft oder hungrig sind, sind Wutausbrüche vorprogrammiert.

Ganz wichtig: Nimm einen Wutausbruch nicht persönlich, auch wenn er noch so peinlich und nervenaufreibend sein kann, besonders, wenn er in der Öffentlichkeit passiert. Die Wut richtet sich nicht gegen dich, sondern die Situation, die so ganz anders verläuft, als dein Kleinkind sie sich wünscht, vorstellt und geplant hat.

Beginn, Höhepunkt und Ende der Autonomiephase bei Kleinkindern

Jedes Kind entwickelt sich individuell, daher sind die Zeitangaben, die wir hier vorstellen, nur grobe Richtungsweisen, wann du bei deinem Kind mit der Autonomiephase rechnen kannst.

Beginn: Ca. Ende des ersten Lebensjahres

Vielleicht wirst du um den ersten Geburtstag herum erste Trotzreaktionen bei deinem Kind feststellen. Es könnte versuchen, den Kopf nach hinten zu werfen, wenn etwas nicht gelingt und seiner Wut Luft machen. Diese Gefühlsausbrüche sind allerdings oftmals noch gut zu bewältigen.

Höhepunkt: Im dritten Lebensjahr

Der Höhepunkt der Autonomiephase ist ungefähr zwischen dem zweiten und dritten Geburtstag, weshalb sie auch gerne als „Terrible Two“ bezeichnet wird. Um den zweiten Geburtstag lernen Kleinkinder das Sprechen, wissen aber noch nicht, wie man Wünsche richtig äußert. Schnell treffen sie auf Unverständnis der Eltern, wenn ihr schön zurechtgeschmiedeter Plan nicht aufgeht oder wenn du Gefährliches verbietest.

Ende: Ungefähr im vierten Lebensjahr

Die sehr intensive Entwicklungsphase des Kindes endet meist im Laufe des vierten Lebensjahres. Dein Kind lernt mehr und mehr mit seinen Emotionen umzugehen und wird sicherer in seinen Handlungen.

Jedes Kind „trotzt“ anders

Exemplarisch für die Autonomiephase ist das wütende Kind, das im Supermarkt auf dem Boden liegt, schreit und um sich schlägt. Nicht jedes Kleinkind verhält sich auf diese gefühlsgeladene Weise in der Trotzphase.

Weitere Verhaltensmuster der Autonomiephase sind:

  • Dein Kind zieht sich zurück.
  • Es verweigert das Essen.
  • Dein Kind möchte nicht mit dir sprechen.

Extreme Trotzphase: Was tun?

Ein Kleinkind hat einen Trotzanfall.
Wutanfälle zerren an den Nerven – sowohl an deinen, als auch an den deines Kindes. © nadezhda1906 – stock.adobe.com

Auch wenn dir bewusst ist, warum sich dein Kind so verhält und wie du damit am besten umgehen solltest, gehen Wutausbrüche extrem an die Substanz. Besonders an Tagen, wo eine Kleinigkeit am Morgen bereits für Unmut sorgt, dein Kind sich auf den Boden wirft und brüllt.

Wenn sich dein Kind in einem extremen Wutausbruch verliert, helfen folgende Tipps:

  • Die Umgebung sichern: Hat dein Kind zu Hause einen wilden Trotzanfall, schreit und schlägt um sich, stelle sicher, dass es sich dabei nicht verletzen kann und warte ab, bis es sich wieder beruhigt.
  • Den Ort des Zorns verlassen: Wenn du in der Öffentlichkeit unterwegs bist und dein Kind einen Wutanfall bekommt, verlasse die Schaustelle des Zorns und gehe nach Möglichkeit an einen ruhigeren, neutralen Ort, wo die Gewitterwolken vorbeiziehen können.
  • Ablenkung: Wenn es in manchen Situationen nicht anders geht, versuche dein Kind abzulenken. „Schau mal, der Bagger!“, oder „Weißt du, wo dein roter Flitzer ist?“, könnten die Wut schneller verpuffen lassen.
  • Schenke Halt, wenn dein Kind es möchte. Manche Kinder möchten während einer Trotzreaktion auf den Arm genommen werden. Halte dein Kind allerdings nicht fest, wenn es sich wehrt.
  • Nicht überdramatisieren: Schenke dem wilden Wutanfall nicht mehr Aufmerksamkeit als nötig. Wenn du dich ruhig und besonnen etwas anderem widmest, wird auch der Sturm schneller vorüberziehen.
  • Nicht schimpfen und nicht diskutieren: Wenn dein Kind in Rage ist, ist es mit einem wilden Stier vergleichbar: Es sieht rot, ist überwältigt von seinen Gefühlen und nimmt das Umfeld nur vage wahr. Daher bringt diskutieren nicht viel.

Kleiner Trost: Einer extremen Autonomiephase im Kleinkindalter wird eine entspanntere Pubertät nachgesagt. Garantieren können wir das allerdings nicht. 😉

Autonomiephase des Kindes: Auch deine Gefühle zählen!

Als Eltern müssen wir die Selbstkontrolle bewahren, unseren Kindern damit Sicherheit schenken, sie positive wie negative Erfahrungen machen lassen und dabei begleiten. Doch genauso ist es wichtig, deine Gefühle zu zeigen. Wenn dich der zigste Wutausbrauch an deine Grenzen bringt und dich überfordert, ist es auch okay, einmal wütend zu werden. Auch durch deine Gefühle lernt dein Kind. Besser so, als mit Abwendungen und Drohungen zu reagieren. Absolutes No-Go sind allerdings Gewalt, Schikanen und Abwertungen.

Oftmals helfen Ratgeber-Bücher mit schwierigen Situationen wie der Trotzphase zurechtzukommen. So auch der Ratgeber von StarkeKids, der Eltern hilft, mit den Emotionen ihrer Kinder respektvoll umzugehen, sie zu stärken und selbstbewusst fürs Leben zu machen. Es gibt ebenso Kinderbücher, die die Autonomiephase dir und deinem Kleinkind veranschaulichen. Eine Auswahl von Ratgeber-Büchern findest du gebraucht und günstig auf unserem Familienmarktplatz.

Quellen

Familienhandbuch.de: Wenn Kinder trotzen. Hilfe, das ICH meines Kindes erwacht!
BZgA: Kindliches Trotzverhalten – wie damit umgehen?

Über den Autor

Julia May

Hi! Ich bin Julia und seit 2018 Mama eines aufgeweckten Jungen, der meine Welt manchmal ganz schön auf den Kopf stellt. 2022 gesellte sich mein zweites Söhnchen hinzu und gemeinsam erleben wir den trubeligen Alltag einer vierköpfigen Familie. Meine Erfahrungen teile ich mit dir in zahlreichen Artikeln rund um Kindererziehung, Schwangerschaft und Gesundheit und gebe bewährte und hilfreiche Tipps, die deinen Familienalltag erleichtern.

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