Liebe Mel, Du betreibst einen Stoffladen mit Onlineshop in Nieder-Olm, wo du Stoffe, Nähzubehör und Genähtes für Kinder mit und ohne Handicap herstellst. Wie kam es dazu, dass du dich entschieden hast, Kleidung für Kinder mit Downsyndrom oder anderen Beeinträchtigungen herzustellen?

Durch die Geburt meines ersten Kindes mit Down-Syndrom (Hannah, 15 J.) habe ich in Hannahs ersten Lebensjahren schon schnell gemerkt, dass es so viele Dinge gibt, die es einfach handelsüblich nicht zu kaufen gibt. Hannah kam auch mit Herzfehler zur Welt, was einige Zeit im Krankenhaus für sie bedeutete. Auch zu Hause war sie am Überwachungsmonitor. Bodys mit Aussparungen für Sonden,-/ Monitorkabel etc. waren nicht zu bekommen. So fing ich an erfinderisch zu nähen. Erstmal musste alles eine “schnelle Nummer” sein, da ich die Artikel dringend im Alltag brauchte. Je mehr ich nähte, desto perfekter wurden die Teile.
In Hannahs weiterem Leben warteten noch so einige weitere Herausforderungen auf meine Nähkünste. Da Hannah erst mit 7 Jahren tagsüber trocken wurde, brauchte sie Hosen, die einen weiteren “Windelpopo” und somit genügend Platz für die Windel hatten, aber gleichzeitig in der Länge nicht zu lang waren.
Das Thema LAUFEN LERNEN war auch ein Meilenstein bei uns. Hannah hat, wie die meisten Downies, eine spezielle Fußform. Wobei das ja eigentlich jedes Kind hat. So entstanden meine Lauflern-Puschen aus Echtleder, Softshell und ganz neu auch aus 100% Baumwolle. Ob im Winter die Booties oder jetzt im Sommer die Lauflernschuhe aus Leder oder für ins Wasser die Softshell-Puschen….alle sind mit breiter Zehenbox für ein gesundes Wachstum und mit Soft-Sohle ausgestattet.

Welche Bedürfnisse haben Kinder mit Handicap, die du mit deiner Kleidung erfüllen möchtest und welche Herausforderungen sind mit der Herstellung verbunden?

Eine Herausforderung bei der Anfertigung von Sonderanfertigungen ist, dass man nicht nach “Schema F“ vorgehen kann und das ist es, was uns so Spaß an der Arbeit bringt. Meine zwei Kolleginnen und ich lassen uns individuell auf die Bedürfnisse der Kunden ein. Seit Corona nähen wir z.B. auch Tauf- und Kommunionskleider für Kinder, die nicht den “normalen handelsüblichen” Größen entsprechen. Oder z.B. auch Schlafsäcke für Kinder mit Klumpfüßen.

Kannst du uns etwas über deine Erfahrungen mit deiner eigenen Tochter mit Downsyndrom erzählen und wie dies zur Gründung deines Stoffladens beigetragen hat?

Was meine Tochter mit der Gründung meines Stoffgeschäftes zu tun hat…
Wie bei 1.) schon beschrieben bin ich durch die angeborene Beeinträchtigung von Hannah in die Näherei für besondere Artikel reingerutscht. Dinge selbst zu erschaffen, die es industriell nicht zu kaufen gab/gibt. Viele Freunde und Bekannte fragten mich damals (vor 15 Jahren)…. ach, kannst du mir das auch nähen für mein Kind? Und: Wieso verkaufst du deine handgemachten Artikel denn nicht im Internet oder in einem Laden.
So kam es, dass ich, als es die Plattform Dawanda noch gab, meine Artikel dort verkaufte. Es war ein voller Erfolg aber sehr stressig, da ich eine One-Man-Show war.
2015 lag meine noch so junge Mutter mit 59 Jahren im Sterben (an Krebs erkrankt). Zur selben Zeit war ich gerade schwanger mit meinem dritten Kind. Es wurde mir damals alles zu viel und ich schloss meinen Internetshop auf Dawanda.
Als meine Mama im August 2015 verstarb, war ich gerade im 6. Monat schwanger. Mein Bruder fragte mich, was wir jetzt mit Papa machen, da wir Angst hatten, er falle in ein Einsamkeits-Loch. Mein Bruder sagte, du wolltest doch schon immer mal ein Stoffgeschäft eröffnen. Mit genähten Sachen UND dem Verkauf von Meterware und Kurzwaren für die Selbernäher. (Auf Dawanda verkaufte ich damals nur Handmade Artikel, keine Stoffe).
Ich antwortete: Ja, das wäre mein Traum….aber doch jetzt nicht. Ich erwarte in drei Monaten mein 3. Kind und habe ja schon meine anderen beiden, die mich auch brauchen. Kurzum…Papa brauchte eine Beschäftigung (er war damals schon pensionierter Banker). So eröffnete ich 4 Wochen vor Geburt mein Stoffgeschäft und stellte meinen Vater und mich dort rein. Wir fingen mit einem kleinen Ladengeschäft auf 50qm an. Seitdem haben wir uns schon 2x vergrößert und sind jetzt nach 8 Jahren auf fast 180qm. Der Onlineshop kam Ende 2020 dazu.

In deinem Ladenlokal und deinem Onlineshop hast du ein großes Angebot an Stoffen. Was ist dir bei der Auswahl deiner Stoffe und Materialien wichtig?

Im Onlineshop sind von den Stoffen leider noch nicht alle verfügbar. Das ist sehr viel Arbeit und mit einem zusätzlichen Onlineshop hat man quasi 2 Läden, die gepflegt werden müssen. Wir führen um die 2000 verschiedene Stoffe im Geschäft. 1/3 davon ist im Onlineshop. Die genähten Artikel zum Thema “Schuhwerk” findet der Kunde aber lückenlos in großer Auswahl in unserem Onlineshop. Bei der Auswahl und dem Einkauf unserer Stoffe und den damit auch verbundenen Materialien für unsere Handmade Artikel achte ich insbesondere auf Ware mit dem Oeko Tex Standard. Wir führen auch viele Stoffe, die noch in Deutschland produziert werden und viele namhafte Bio-Marken mit GOTS-Zertifizierung wie z.B. C.Pauli und Lillestoff.

Du verkaufst nicht nur Stoffe, Genähtes und Nähzubehör, sondern bietest auch Nähkurse an. Wer kann da mitmachen?

Ja, bei uns gibt es seit Anfang an auch Nähkurse für Kinder ab 5 Jahren und für Erwachsene. Absolute Anfänger und Fortgeschrittene können bei uns unter fachkundiger Anleitung viel neues lernen.
GANZ NEU: Wir sind jetzt auch ZERTIFIZIRTER HÄNDLER der Maschinen-Marke BROTHER. Das heißt man kann bei uns auch Nähmaschinen, Stickmaschinen, Overlockmaschinen und Plotter-Geräte der Marke BROTHER kaufen. Wir betreuen den Kunden vor Ort, geben Einweisung, Beratung, Fehlersuche, Inspektion, Wartung,…

Noch eine Erwähnung zuletzt: mein zweites großes Steckenpferd ist die Stickerei. Ich sticke (nicht stricke! Das kann ich nämlich gar nicht (o;) leidenschaftlich gerne. Ich habe die großen Stickmaschinen, mit denen wir (fast) alles personalisieren können. Ob Logo-Stickerei für Firmenkleidung, Schulen, etc. Ob Taufkleider besticken oder eine Kinderzeichnung in eine Stickerei umwandeln und als Geschenk für die Familie auf ein Kissen oder T-Shirt sticken.
Und ich stehe voll und ganz hinter dieser Art von Stoffveredelung, weil sie langlebig und dadurch absolut nachhaltig ist.

Liebe Mel, herzlichen Dank für das Gespräch! 

Gewinnspiel: Du möchtest gerne ein Paar von Mels handgemachten veganen Softshell Halbschuhen gewinnen? Dann schau auf unserem Instagram Account (@baddeldaddel) vorbei! Das Gewinnspiel läuft vom 28.08. bis zum 01.09.

Mehr über Mel

Mel ist Mutter von drei Kindern, davon ist eine Teenagerin mit Down-Syndrom. In ihrem Stoffgeschäft in Nieder-Olm nähen Mel und ihre Mitarbeiter*innen Mode und Accessoires für beeinträchtigte Lebenslagen und verkaufen Stoffe mit hoher Qualität. Mel ist die Qualität, Herkunft und Hautverträglichkeit ihrer Stoffe besonders wichtig. Die Handmade Baby-& Kinderbekleidung gibt es in ihrem Geschäft in regulären Größen und als Sonderanfertigung. Besucht Mel gerne auf ihrem Instagram Account, in ihrem Online-Shop oder persönlich in ihrem Stoffladen, um das gesamte Qualitäts-Sortiment anzuschauen.

Website: https://klatschmohn-lieblingsstoffe.de

Instagram Account: @klatschmohn_lieblingsstoffe

Adresse Laden: Pariser Straße 100, 55268 Nieder-Olm

Über den Autor

Johanna Dahmen

Hi! Ich bin Johanna und beschäftige mich mit den Themen Kleidung und Ausstattung für Babys, Kinder und werdende Mütter. Ich verrate dir, welche Produkte die richtigen für dich sind und gebe hilfreiche Tipps.

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