Zu sehen, wie der eigene Nachwuchs seine ersten Schritte im Leben macht, ist wohl einer der rührendsten Momente im Eltern-Dasein und erfüllt dich mit sehr viel Stolz. Sicherlich konntest du manchmal beobachten, wie dein Kleines sich auf den Zehenspitzen fortbewegt. Zunächst ist es niedlich, doch je länger es andauert, desto häufiger fragst du dich: „Ist das normal?“. Wenn dein Kind ständig auf den Vorderfuß tritt, dann handelt es sich um den sogenannten Zehenspitzengang. Der Zehenspitzengang ist bei Kindern kein seltenes Phänomen. In unserem Artikel erfährst du, was du über diese Ganganomalie wissen musst und wann ein Gang zum Arzt sinnvoll ist. 

Was ist der Zehenspitzengang?

Bei dem Zehenspitzengang (auch abituelle oder idiopathischer Zehenspitzengang genannt) handelt es sich um eine Abweichung vom normalen Gangbild, die hauptsächlich bei Kindern auftritt. Betroffene Kinder treten beim Gehen mehr als die Hälfte der Zeit nur auf dem Vorfuß auf – sie gehen quasi auf den Zehenspitzen. Bei etwa 15 Prozent aller Kinder kommt es zu dieser Ganganomalie. Meistens kommt der Zehenspitzengang bei Kindern vor, die gerade damit begonnen haben zu laufen. In der Regel tritt der Zehenspitzengang nur temporär oder situativ (z.B. bei Aufregung) auf. Wie lange Kinder auf den Zehenspitzen laufen, ist von Kind zu Kind unterschiedlich. Über 70 Prozent der Zehenspitzengänger gehen nach wenigen Monaten von selbst in einen normalen Gang über. Dauert der Zehenspitzengang mehr als fünf oder sechs Monate an, kann ein Facharzt bzw. eine Fachärztin weiterhelfen. Bei manchen Kindern kann der Prozess übrigens bis zum Schulanfang (ca. fünf Prozent der Vorschulkinder) andauern.

Ursachen des Zehenspitzenganges

In den meisten Fällen des kindlichen Zehenspitzenganges gibt es keine nachweisbaren psychischen oder medizinischen Ursachen. Es wird angenommen, dass es sich entweder um eine Angewohnheit handelt, die beim Laufen lernen angeeignet wurde oder genetisch bedingt ist. Nur in seltenen Fällen liegt eine neurologische, orthopädische oder muskuläre Ursache vor.

Der Zehenspitzengang kan nach seinem klinischen Erscheinungsbild in vier Typen aufgeteilt werden.

TYP I

Bei Typ I tritt der Zehenspitzengang erst ab dem vierten bis siebten Lebensjahr ein. Als Ursache wird hier eine angeborene Muskelverkürzung der Wadenmuskulatur vermutet. Typische Merkmale für Typ I sind Ringfalten über der Achillessehne, ein herzförmiger Wadenmuskel und ein verkürzter großer Abduktor des Oberschenkels.

Typ II

Bei Typ II tritt der Zehenspitzengang mit dem Beginn des Laufens ein. Hier wird eine familiäre Veranlagung als Grund für die verkürzte Wadenmuskulatur vermutet. Kennzeichnend für den Typ ist, dass Betroffene zwar auf der Gesamtfläche des Fußes stehen können, allerdings beim Gehen ¾ der Zeit einen Zehenspitzengang haben. Die restliche Zeit über haben die Betroffenen einen Stampfgang ohne Abrollphase.

Typ III

Typ III der Ganganomalie ist auch unter dem Namen „situativer Zehenspitzengang“ bekannt. Betroffene haben die meiste Zeit ein normales Gangbild. Der Zehenspitzengang tritt nur intermittierend und in bestimmten Situationen wie Aufregung, Müdigkeit oder Freude auf. Als eine Ursache für diesen Typus wird oft eine Störung der Wahrnehmungsverarbeitung vermutet.

Typ IV

Typ IV ist der seltenste Typus des Zehenspitzenganges. Hierbei tritt die Ganganomalie nur einseitig auf, was ein humpelndes Gangbild zur Folge hat.

Diagnose und Therapiemöglichkeiten

In den meisten Fällen hört der Zehenspitzengang von allein auf. Ist dies nicht der Fall, wird eine umfassende Diagnose erstellt. Hier wird das Gangbild des Kindes untersucht und der Gleichgewichtssinn getestet. Einige Ärzte und Ärztinnen verwenden hierfür auch Kameras und Sensoren, um ein besseres Untersuchungsergebnis zu bekommen. Zudem überprüfen die Ärzte, ob es in der Vergangenheit auch ähnliche Fälle in der Familie gab. Bei Verdacht führt man auch neurologische Untersuchungen durch. Damit überprüft man, ob andere Erkrankungen wie eine geistige Behinderung oder Autismus für den Zehenspitzengang verantwortlich sind.

Da oft eine Verkürzung der Wadenmuskulatur ein Grund für den Zehenspitzengang ist, wird Physiotherapie in den meisten Fällen verschrieben. Andere Möglichkeiten zur Behandlung der Ganganomalie stellen Ergotherapie (z.B. bei Verhaltensauffälligkeiten), Osteopathie, Gipsverbände, Schienen, Orthesen oder sogenannte Pyramideneinlagen dar. Letztere sind speziell dafür gedacht, um den Zehenspitzengang zu beseitigen. In seltenen Fällen ist eine operative Maßnahme notwendig.

Mögliche Folgen eines andauernden und unbehandelten Zehenspitzengangs

Ein andauernder Zehenspitzengang muss medizinisch oder therapeutisch behandelt werden. Ansonsten kann er unbehandelt schwerwiegende Folgeerkrankungen nach sich ziehen. So drohen dem Betroffenen im späteren Leben unter anderem:

  • Fußdeformitäten (z.B. Hohlfuß oder Knick-Senkfuß)
  • Bewegungseinschränkungen im oberen Sprunggelenk
  • Rückenschmerzen (z.B. infolge eines Hohlkreuzes)
  • Knieschmerzen

Fazit: Zehenspitzengang bei sonst gesunden Kindern meist harmlos

Laufen lernen ist nicht einfach und besonders bei ihren allerersten Schritten sind Kinder in der Regel ziemlich wackelig auf den Beinen. Daher laufen Kinder anfangs oft auf den Zehenspitzen. Mit der Zeit und genug Übung eignen sie sich die entsprechende Muskelkraft und den Gleichgewichtssinn an, um mit dem ganzen Fuß zu laufen. Wenn dein Kind also bei seinen ersten Schritten auf den Zehenspitzen läuft und sonst gesund ist, brauchst du dir keine Sorgen machen. Erst wenn der Zehenspitzengang mehr als fünf oder sechs Monate andauert und/ oder zeitgleich zum Zehenspitzengang eine andere Erkrankung vorliegt, die als ein möglicher Auslöser der Ganganomalie bekannt ist, solltest du einen Arzt bzw. eine Ärztin konsultieren.

Quellen: Pomarino, David: “Idiopathisch” war gestern: neue Sichtweisen auf den Zehenspitzengang | Praxis Pomarino: Zehenspitzengang | Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte e.V.: Zehenspitzengang verliert sich bei Kindern meist von selbst

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Über den Autor

Ahmet Dönmez

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