Gerade noch hat sich dein Baby von seinen Großeltern allerliebst knuddeln lassen, doch schon beim nächsten Besuch geht die Sirene los. Dein Schatz möchte sich nicht mehr von Oma oder Opa halten lassen und zeigt das auch lautstark. Wenn dein Baby eine herzzerreißende Schnute zieht und bei weniger bekannten Personen plötzlich zu weinen beginnt, hat die Phase des Fremdelns begonnen. Ab wann Babys fremdeln und wie du am besten damit umgehen solltest, erklären wir dir hier.

Ab wann beginnen Babys zu fremdeln?

Vielleicht hast du schon von der Achtmonatsangst gehört, die oftmals in Verbindung mit dem Beginn des Fremdelns im 8. Lebensmonat des Babys erwähnt wird. Doch wie bei jedem Entwicklungsschritt deines Kindes kann auch das Fremdeln früher oder später beginnen. Während manche Babys einige Zeit lang überhaupt keine Furcht vor fremden oder weniger bekannten Personen zeigen, gibt es genauso kleine Skeptiker, die bereits mit drei oder vier Monaten ihren Unmut gegenüber fremden Menschen kundtun. Die Spanne, ab wann dein Schatz mit dem Fremdeln beginnt, reicht somit ungefähr vom 3. bis zum 8. Lebensmonat und kann bis zum zweiten oder dritten Lebensjahr andauern. Den Höhepunkt hat das Fremdeln schließlich, wenn dein Baby zwischen 10 und 18 Monaten alt ist. Sobald dein Schatz allmählich das Sprechen lernt und sich besser ausdrücken kann, lässt das Fremdeln nach.

Auch die Intensität variiert stark. Manche Babys zögern lediglich etwas, bevor sie sich einem weniger bekannten Menschen öffnen. Andere beginnen sofort zu weinen oder zu schreien.

Ist frühes Fremdeln ein Zeichen von Intelligenz?

Früh Fremdeln, früh krabbeln, früh laufen: Ist dein Kind ein Frühstarter in dieser Hinsicht, fragst du dich vielleicht, ob das ein Zeichen für eine Hochbegabung ist. Das kann sein – muss es aber nicht. Es gibt keine wissenschaftlichen Studien, die frühes Fremdeln mit hoher Intelligenz verbinden. Grundsätzlich ist es sehr schwierig bei einem Baby festzustellen, ob ein Entwicklungsschritt direkt mit einer besonderen Begabung verknüpfbar ist. Denn die intellektuelle Leistungsfähigkeit bei Kindern unter vier Jahren verändert sich noch stark und liefert bei einer Testung daher oft kein eindeutiges Ergebnis.

Darum fremdelt dein Baby

Als Neugeborenes nimmt dein Baby deinen Geruch wahr und erkennt dich an deiner Stimme. Das Sehvermögen entwickelt sich allerdings noch und so lernt dein Schatz erst nach einigen Monaten dein Gesicht richtig kennen. Er lernt außerdem, dein Gesicht von anderen zu unterscheiden. Dein Baby mustert dich geradezu und freut sich riesig über deinen Anblick und über den weiterer Bezugspersonen, mit denen es stets intensiven Kontakt hatte. Sieht dein Baby allerdings ein fremdes oder weniger bekanntes Gesicht, kann es sein, dass es ängstlich reagiert und fremdelt. Das kann bei Oma und Opa sein, wenn dein Baby seine Großeltern in den ersten Lebensmonaten nicht sehr oft gesehen hat. Doch auch auf den Papa kann das eigene Kind mit Fremdeln reagieren, wenn er beruflich viel unterwegs ist und so vielleicht seinen Schatz nicht regelmäßig zu sehen bekommt.

Evolutionsbedingt ist das Fremdeln ein wichtiger Schutzmechanismus für Babys. Indem sie lernen, Personen zu unterscheiden, können sie auf sich aufmerksam machen, sollte jemand Fremdes auf sie zu gehen und damit „Gefahr“ drohen. In früheren Zeiten hat dieses Verhalten das Überleben eines Säuglings gesichert.

Das Fremdeln – eine unsichtbare Leine

In vielen Fällen setzt das Fremdeln erst dann richtig ein, wenn das Baby mobil wird. Es kann sich nun selbständig einige Meter von dir und anderen Bezugspersonen entfernen und befindet sich so nicht mehr unter ständigem Schutz – und das kann ganz schön Angst machen. Das Fremdeln wirkt dann wie eine Art unsichtbare Leine: Dein Baby sucht stets deine Nähe und macht sich lautstark bemerkbar, wenn es wieder deinen Schutz benötigt.

Als Achtmonatsangst hat der Entwicklungspsychologe Réné A. Spitz das Fremdeln bezeichnet, da in diesem Alter durchschnittlich viele Babys lernen zu krabbeln oder sich an Gegenständen hochzuziehen und sich die Furcht vor unbekannten Personen erstmals zeigt. Der Begriff gilt heutzutage allerdings als überholt, da manche Babys bereits früher oder aber später richtig mobil werden und dementsprechend das Fremdeln früher oder später beginnen kann.

Fremdeln: Gutes Zeichen für sichere Bindung und Urvertrauen

Besonders wenn die Fremdelphase sehr intensiv ist, können die überängstlich wirkenden Momente deines Babys eine Herausforderung sein. Doch das Fremdeln ist ein wichtiger Entwicklungsschritt und zeigt darüber hinaus das gute Verhältnis, dass du und dein Nachwuchs haben. Denn aus der Zuneigung, Pflege und liebevollen Fürsorge der ersten Lebensmonate heraus entwickelt dein Baby das sogenannte Urvertrauen und eine sichere Bindung zu dir: Es weiß, dass es sich immer auf dich verlassen kann.

Trennungsangst führt zum Fremdeln

Neben dem Urvertrauen entwickelt dein Baby allerdings auch die Trennungsangst, die eine weitere Ursache des Fremdelns ist. Diese kann sich bereits äußern, wenn du nur kurz aus dem Blickfeld deines Schatzes verschwindest oder den Raum für einen Moment verlässt. Je nach Temperament des Babys kann es dabei unruhig bis regelrecht panisch reagieren und beruhigt sich erst wieder, wenn du es auf den Arm nimmst.

Wenn dein Baby fremdelt und weint, dann tröste es schnell. © Tierney – stock.adobe.com

So solltest du auf das Fremdeln deines Babys reagieren

Fremdeln ist also ein natürlicher und wichtiger Entwicklungsschritt deines Babys. Deshalb solltest du es ernst nehmen, auch wenn es dadurch vielleicht zu unangenehmen Situationen kommen kann. Denn nicht selten fühlen sich Freunde oder Verwandte vor den Kopf gestoßen, wenn das Baby mit solch einer Abneigung reagiert.

So solltest du vorgehen, wenn dein Baby fremdelt:

  • Keinen Kontakt aufzwingen: Wenn dein Baby fremdelt, dann tut es nicht nur so. Es zeigt echte Angst. Vermeide es in diesem Moment, dein unglückliches Baby der unbekannten Person in die Arme zu drücken – auch wenn es sich um Oma oder Opa handelt. Andersherum solltest du dein Baby nicht abgeben, weil ein Freund oder Verwandter meint, er könne das Baby schon beruhigen. Es braucht in solch einem Moment nur DICH.
  • Erkläre die Situation: Es ist nachvollziehbar, dass manche Personen verwundert auf das Fremdeln reagieren. Besonders dann, wenn es doch mit dem Babyhalten schon einmal geklappt hat. Dann erkläre den besonderen Entwicklungsschritt, den dein Schatz gerade durchmacht. So können sie das Verhalten besser nachvollziehen und nehmen es nicht persönlich.
  • Sei geduldig: Es kann sein, dass dein Baby geradezu an dir klebt, wenn es fremdelt und zudem Trennungsangst zeigt. Und das kann ganz schön anstrengend sein. Versuch aber, geduldig mit deinem Schatz zu sein, auf seine Angst einzugehen und gib ihm die Extranähe. Denn: Es ist nur eine Phase! Und wie alle Phasen ist sie früher oder später vorbei.
  • Beziehe andere Personen mit ein: Sei dabei, wenn andere Personen Zeit mit deinem Baby verbringen möchten und gewöhne es so nach und nach an sie. Freunde und Verwandte können dein Kind bespaßen, wenn du es auf dem Arm hast. Oder lass Oma dein Baby in deinem Beisein wickeln.
  • Lass dich nicht von der Angst anstecken: Es kann helfen, wenn du möglichst entspannt und freundlich auftrittst, sobald ihr Besuch bekommt und dein Baby mitten in der Fremdelphase steckt. Der Gedanke daran, dass dein Baby abweisend reagiert, kann für Anspannung sorgen. Versuche daher ruhig und gelassen zu bleiben. Denn das könnte sich positiv auf dein Baby auswirken.

Was, wenn mein Baby kaum oder gar nicht fremdelt?

Und wenn mein Baby nun so gut wie gar nicht fremdelt? Stimmt dann was mit unserer Bindung nicht? Nein, keine Panik! Denn hier spielt auch das Temperament und die natürliche Neugier deines Babys eine wichtige Rolle. Und diese Charaktereigenschaften zeigt sich bereits sehr früh: Manche Kinder können gut mit neuen Eindrücken umgehen, andere wiederum sind schnell verängstigt und weinen. Wenn dein Schatz sehr neugierig ist, kann es sein, dass er das Fremdeln kaum äußert. Vielleicht verhält sich die „fremde“ Person aber auch genauso, wie es dein Kind möchte und es zeigt daher keine Angst.

Geht dein Baby allerdings auf jeden fremden Menschen zu und wirkt dabei gleichgültig, könnte das in extremen Fällen auf eine Bindungsstörung hindeuten, du die ärztlich abklären solltest.

Kannst du dich noch an das Fremdeln deines Babys erinnern? Oder steckt dein Schatz gerade mitten in der Phase? Teile deine Erfahrungen und besten Tipps in den Kommentaren!

Quellen

kindergesundheit-info.de: Der Beginn des „Fremdelns“
Netdoktor.de: Fremdeln
Rost, D. H. (2008). Identifikation von Hochbegabten. In Hessisches Kultusministerium (2008) (Hrsg.) Hochbegabung und Schule (S. 18-27). Wiesbaden: Hessisches Kultusministerium.
Apotheken-Umschau: Warum Kinder fremdeln

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Über den Autor

Julia May

Hi! Ich bin Julia und seit 2018 Mama eines aufgeweckten Jungen, der meine Welt manchmal ganz schön auf den Kopf stellt. 2022 gesellte sich mein zweites Söhnchen hinzu und gemeinsam erleben wir den trubeligen Alltag einer vierköpfigen Familie. Meine Erfahrungen teile ich mit dir in zahlreichen Artikeln rund um Kindererziehung, Schwangerschaft und Gesundheit und gebe bewährte und hilfreiche Tipps, die deinen Familienalltag erleichtern.

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